Reisetagebuch, 2. Etappe: Das Sommerloch

 Es ist ein gefährlicher Ort. Und es kommt jeden Sommer wieder. Die Gründe dafür sind unbekannt. Vermutungen legen nahe, dass es die Zeit nutzt, in der die Hälfte der Nation im Urlaub ist, einschließlich unserer Führungskräfte – ob aus der Politik oder anderen Lebensbereichen. Da also während der Feriensaison wenig oder gar nicht regiert bzw. geleitet wird, passiert auch nichts. Dieser Zustand des Nichts, des Vakuums, ist ideal für Sommerlöcher. Vorsicht ist geboten, denn man weiß nie genau, wann und wo sie entstehen. Steht man gerade auf dem Fleck an dem sich eines öffnet, wird man gnadenlos verschlungen. Kaum einer ist nach einem Sturz ins Sommerloch zurück gekommen, und wenn doch, war er nicht mehr derselbe. Doch die größte Gefahr geht von dem aus, was aus so einem Sommerloch hervorkriecht – Nessie, Ötzi, Problembären, die neueste Verschwörungstheorie oder – entsetzlich – die nächste Rechtschreibreform?

Auch unsere Helden werden auf ihrem Weg zur Aufführung jährlich vom Sommerloch bedroht. Die Urlaubszeit dezimiert die Reisegruppe zumindest zeitweilig erheblich. In diesem August war die Gefahr besonders groß, weil die Regisseurin einen vierwöchigen Abstecher nach Afrika unternahm. Wer weiß, auf welche Ideen eine führerlose Truppe während eines so langen Zeitraums kommt: Grillfeste statt Proben? Sonnenbad statt Textlernen? Und was wenn falsche Betonungen oder Dinge, die so nicht inszeniert waren, aus dem Sommerloch kriechen und sich in den Köpfen der Spieler festsetzen? Sowas kriegt man nur sehr schwer wieder los!

Dieses Jahr allerdings ging die Regisseurin leichten Herzens in Urlaub, wusste sie doch ihre Truppe bei Ute, der Regieassistentin in guten Händen. Und tatsächlich, unter Utes strengem Kommando wurde schwer gearbeitet: Gänge und Abläufe wurden abgestimmt, schwierige Situationen geklärt (Frage: „Warum sollte ich jetzt zum Büffet gehen, mit welcher Motivation?“ – Antwort: „Damit Du aus dem Weg bist, wenn Klaus auftritt“). Auch technische Fragen wurden angegangen: Kann Stephan Iris jeden Abend von der Bühne tragen oder gibt es eine andere Lösung? Wie bringt man einen Zauberstab zum Leuchten?

Da auch die Truppe durch Urlaub, Dienstreisen und andere Störungen dezimiert war, mussten Schauspieler vertreten werden und so kam es, dass unser Neuzugang, statt ins Sommerloch zu fallen, zur Vertretung vom Dienst wurde. Bis zur Aufführung des Stückes wird er alle Rollen können und wahrscheinlich mehr geprobt haben als die einzelnen Schauspieler!

Als die Regisseurin nach vier Wochen wohlbehalten, wenn auch tief gebräunt, zurückkehrt, ist sie ehrlich begeistert. Zwei Akte haben sie geschafft, die sie ihr jetzt voll Stolz vorspielen. Für die Regie verlängert sich so der Urlaub. Die Truppe hat sich nämlich verfrühte Einmischungen verbeten. Immer noch fehlen urlaubsbedingt Schauspieler und die Proben gestalten sich nach den unsterblichen Worten der Regisseurin: „Wir machen halt das, was wir können, mit denen die da sind.“

 

Doch bis zu unseren Aufführungen im Januar ist nicht mehr allzu viel Zeit, das heißt, wir müssen eine Schippe drauf legen. Dazu bedarf es zusätzlicher Proben an den Samstagvormittagen. Darüber in Kürze mehr.

 

Übrigens: was meinen Sie, wie viele Menschen passen in einen kleineren Wohnzimmerschrank?


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