Und plötzlich sind es nur noch sechs Wochen bis zur Aufführung. Sechs Wochen – das sind normalerweise 12 Proben. Das ist nicht viel. Zumal auch noch die Weihnachtszeit kommt. Da fallen Proben weg, aber die Feiertage sind auch eine Atempause. Danach kommt die "Schlussoffensive" da wird keine Zeit mehr zum Atemholen mehr sein, es folgt Schlag auf Schlag: Bühnenaufbau, Proben in der Dekoration, technische Proben, Haupt-, Generalprobe, Aufführungen.
Aber noch sind wir nicht dort. Bis zum Ziel ist noch schweres Gelände zu durchqueren. Weit in der Ferne sind bereits die Lampenfiebersümpfe auszumachen. Ihr phosphoreszierendes Leuchten spiegelt sich in den Wolken. Giftige Dämpfe winden sich wie Tentakel weit ins Land hinein. Wenn der Wind uns ins Gesicht bläst, bringt er die eine oder andere Schwade des nach Schwefel riechenden Sumpfgases mit. Noch gelingt es den meisten, sich davor zu schützen. Bewährtes Mittel sind Mantras wie "es-ist-noch-Zeit-es-ist-noch-viel-Zeit-wir-haben-noch-viele-Proben-und-da-kommt-ja- noch-das-Probenwochenende-da-wird-alles-gut".
Doch die Lampenfiebertentakel finden jeden noch so kleinen Riss in der Panzerung und haben bei den letzten Proben schon zu der einen oder anderen Krise geführt.
Gedächtnisschwund kann die Folge sein. Gänge, Abfolgen, Texte die vor einer Woche noch saßen, sind vergessen. Ganze Szenen verschwinden aus dem Gedächtnis: "Das haben wir noch nie geprobt!" Auch Sinnkrisen stellen sich ein:
"Ich kann die Motivation hier nicht nachvollziehen – so reagiert kein Mensch, ich würde es jedenfalls nicht tun!"
Oder
"Das ist doch nicht logisch! So handelt kein vernünftiger Mensch!" – Als ob Theater etwas mit Logik zu tun hätte…
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