Jetzt kommt der große Moment. Wir lesen das Stück gemeinsam. Jetzt hört man die Schauspieler, die man bis dahin nur mit dem inneren Ohr in den Rollen gehört hat, endlich mit dem äußeren Ohr. Jetzt zeigt sich, ob der Besetzungswaschgang erfolgreich war oder wiederholt werden muss.
Es ist Stress pur, wenn man der Truppe ein Stück vorstellt, mit dem man sich jetzt schon eine Weile beschäftigt hat und an dem man bereits einen Narren gefressen hat. Wird es gefallen? Sie können nicht in meinen Kopf sehen, werde ich es schaffen, ihnen meine Vision zu vermitteln? Soweit ich schon eine habe. Werden sie mir ausreichend vertrauen, um den Weg mit mir zu gehen? Und wenn sie sich für das Stück entscheiden, werden sie die Rollen akzeptieren, die ich ihnen zugedacht habe?
Demokratie hat ja beim Theater nichts verloren – es wird gemacht, was die Regie sagt. Jedenfalls so lange die Regie hinguckt. Doch bei der Stückauswahl haben wir uns vorgenommen, gemeinsam zu entscheiden. Wenn die Mehrheit sich für ein Stück ausspricht, stellen alle sich in den Dienst des nunmehr neuen Stücks, auch die, die dagegen waren. Sogar die, die vielleicht keine Rolle bekommen haben, oder sich eine andere Rolle gewünscht hätten. Das macht unsere Truppe aus.
Es ist etwas Überzeugungsarbeit nötig. Das Stück ist toll, da sind sich alle einig. Aber es ist eine Riesenaufgabe – technisch wie schauspielerisch. Werden wir das schaffen?
Doch das Stück hat ganze Arbeit geleistet und (fast) alle überzeugt. Die Entscheidung ist gefallen, wir machen das Ding.
Und jetzt geht es wieder los:
Es gibt bereits ein Bühnenmodell, das ist immer hilfreich, um die Gänge zu veranschaulichen. Etwas Arbeit am Text steht noch an, ein paar Kürzungen und Anpassungen. Dann überlegt sich die Regie die Gänge für den ersten Akt und hält sie in Diagrammen fest.
Bis dahin lesen wir das Stück und beginnen mit der Arbeit am Ausdruck und den Betonungen. Dann schließlich gehen die Stellproben los – die ersten Gänge auf der Bühne werden eingeübt. Wände und Mobiliar sind jetzt nur markiert – Tische und Stühle müssen das übernehmen. Die Schauspieler machen sich ans Textlernen.
Zuwachs haben wir übrigens auch bekommen: genau rechtzeitig, sozusagen auf Stichwort, schneiten uns ein neuer Mitspieler und eine neue Regieassistentin ins Haus. Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit den beiden!
Die Waschmaschine schaltet jetzt endlich einen Gang zurück und lässt im Hintergrund das Inszenierungsprogramm ablaufen. Das neue Theaterjahr hat begonnen.
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