Nicht geschaffen für ein Leben außerhalb von Stadtmauern

Ich wurde in gutbürgerlichen Verhältnissen geboren, und verlebte eine schöne Kindheit. Nach dem plötzlichen Tod meiner Eltern hatte ich es nur meiner Patin zu verdanken, dass ich das größte Geschenk meines Lebens erhielt. Ich wurde nicht auf der Straße ausgesetzt sondern kam in gute Hände, die mich treu umsorgten.  

Dort hatte ich das Glück, wie mein Vater, den angesehenen Beruf des Goldschmieds zu erlernen. Nach der Lehre ging ich auf  Wanderschaft, wie es die Tradition verlangt. Nach der Arbeit in den Städten am Rhein, bot sich mir die Gelegenheit, in der  Kutsche einer angesehenen Kaufmannsfamilie die Alpen zu überqueren, so dass ich endlich mein lang ersehntes Ziel Italien, das  Land der alten Meister erreichen konnte.

Dort arbeitete ich in einer angesehenen Werkstatt in Florenz und erlernte die hohen Weihen der Goldschmiedekunst.

Schließlich gelang es mir, aus den Perlen und Diamanten, die mir meine Patin zum Abschluss meiner Lehre geschenkt hatte, ein wahres Kunstwerk zu schaffen. Es hätte mein Meisterstück werden können.

In meiner Euphorie über das gelungene Schmuckstück zeigte ich es überall herum. So kam es, dass ein anderer Meister es  kopierte und als seine eigene Kreation ausgab. Als ich dagegen aufbegehrte, bekam ich zu spüren, welchen Stand ich als ausländischer Geselle gegen einen angesehen Meister habe. Nämlich garkeinen.

Mir wurde nicht geglaubt, stattdessen wurde behauptet, ich hätte seine Entwürfe geklaut. Es wurde ein Verfahren vor der  dortigen Zunft anberaumt. Dazu sollte mein Schmuckstück als "Beweis" beschlagnahmt werden. Da nach einem solchen Verfahren die Kopie  vernichtet wird, bestand die Gefahr, dass mein kostbarster Besitz zerstört worden wäre. Da ich dies nicht zulassen konnte, blieb mir nur übrig, Florenz über Nacht zu verlassen, und mein Glück weiter auf der Wanderschaft zu suchen.

So machte ich mich wieder zurück auf den beschwerlichen Weg Richtung Norden. Rasch merkte ich, dass ich für das Leben außerhalb von Stadt- oder Schlossmauern nicht gemacht bin.

Schon in der ersten Woche wurden mir meine Ersparnisse gestohlen. Da so nah an Florenz eine Arbeit als Goldschmied undenkbar war, konnte ich mich nur mit Betteln und Hilfsarbeiten durchschlagen.

Mehr schlecht als recht schlug ich mich durch, doch weiter als bis zum Fuß der Alpen wäre ich nicht gekommen. Diesen schwierigen Teil der Reise hätte ich alleine nie geschafft.

Als ich – für eine Schlafstelle im Gesindetrakt -  den Fußboden einer Schlachterei säuberte, erwischte mich einer der Gesellen dabei, wie ich aus Hunger und Not einen Zipfel Wurst naschte. Zum Glück hatte er Mitleid mit mir und verriet mich nicht.

So lernte ich Frank kennen, einen Wurstmacher, der so wie ich grade auf seiner Wanderschaft war. Wir zogen zusammen weiter, von Stadt zu Stadt. Frank arbeitete jeweils für einige Wochen bei den dortigen Schlachtern, ich machte Hilfsarbeiten in der Stadt, ohne jedoch jemals eine Goldschmiedewerkstatt zu betreten.

Durch meine höflichen Umgangsformen, meine Bildung und mein handwerkliches Geschick gelang es mir meist, saubere Tätigkeiten als Schreiber, oder beim Reparieren von Uhren oder Kleinigkeiten zu erlangen. Aber manchmal musste ich auch für einen Hungerlohn schwere und schmutzige Arbeit verrichten.

Natürlich saßen wir, so oft es ging, in einem der örtlichen Gasthäuser, wo wir in den Gaststuben und auch in den Betten so manche Dinge erlebten, über die es Schweigen zu wahren gilt. So überquerten wir die Alpen und kamen in die Schweiz.

Dort fernab von Florenz, wagte ich es erstmals, eine Gold- und Uhrenwerkstatt zu betreten.Mir gelang es wieder, als Goldschmied Fuß zu fassen. Mein Leben bekam wieder Form und Inhalt. Gerne wäre ich dort bei meiner Arbeit und auch bei der hübschen Meisterstochter geblieben.

Doch das Leben spielte mir einen weiteren Streich. Einer der früheren Lehrlinge des Meisters kehrte von seiner Wanderschaft - ebenfalls aus Florenz - zurück. Auf einmal holte mich die Geschichte von meiner überstürzten Flucht aus Florenz wieder ein. Gerne wäre ich gemeinsam mit dem Mädchen geflohen, doch sie zog die Sicherheit vor und heiratete später den Gesellen. So war mein  Leben auch in dieser Stadt vorbei.

Da Frank ebenfalls nichts mehr in der Stadt hielt, beschlossen wir, zusammen weiterzuwandern. Wir zogen am Alpenrand entlang und schafften es meist, in den Städten Arbeit zu finden. Da sich die Zeiten in der Zwischenzeit jedoch gewandelt hatten, war es schwerer für uns geworden, mehr als nur ein paar Wochen an einem  Ort zu bleiben.  

Niedergang der Zünfte, Missernten und der gnadenlose Streit zwischen den Herrschern hatten dem Land streng zugesetzt, es herrschen allerorten Missgunst, Hunger, Leid und Gesetzlosigkeit. Keiner konnte es sich mehr leisten, einen Wandergesellen für längere Zeit zu beherbergen. 

Da sich meine Wanderzeit dem Ende zuneigte, beschloss ich, mich wieder meiner Heimat zuzuwenden. Dort will ich meiner Patin das Schmuckstück als Dank überreichen. Ich hoffe, sie erkennt mich wieder und empfängt mich wohlwollend.

Frank hat beschlossen mich zu begleiten,  und will dort sein Glück fernab seiner Vergangenheit zu versuchen.

 Nach den Berichten, die ich während meiner Wanderschaft von der Heimat gehört habe, steht es dort schlecht. Allein der Weg dorthin wird eine Herausforderung, da in den umgebenden Wäldern eine gefürchtete und gefährliche Räuberbande ihr Unwesen treibt.

 Hoffentlich gelingt es mir, trotz dieser Probleme, in meiner Heimat ein Leben als Goldschmied anzufangen. Aber auch in der Not  haben die Leute Schmuck, der repariert und umgearbeitet werden will.

Mit Glück hilft mir meine Patin dabei, in die Zunft einzutreten, sodass ich eine Familie gründen und meinen Kindern das Leben bieten kann, das mir meine Eltern gerne gegeben hätten...

 

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